Seit Oktober 2020 können digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschrieben werden. Wir haben mit Herrn Dr. Kavermann, Oberarzt in der Psychiatrischen Institutsambulanz des Vivantes Wenckebach-Klinikums, gesprochen. Er hat von seinen Erfahrungen zur Verordnung von DiGA berichtet.

Herr Dr. Kavermann, was versteht man unter einer DiGA und welche Erwartungen verknüpfen Sie mit der Verordnung?

Dr. Kavermann: DiGA sind „Apps auf Rezept“, die als zertifizierte Medizinprodukte niedriger Risikoklasse klassifiziert sind und als digitale Hilfsmittel in der medizinischen Versorgung dienen. Mit der Verordnung einer DiGA kann ich meinen Patient*innen eine bessere und intensivere Betreuung bieten. Gleichzeitig werden meine Patient*innen in einer selbstbestimmten Lebensweise gefördert und im Umgang mit ihrer Erkrankung unterstützt.

Welche der zugelassenen DiGA verschreiben Sie aktuell und für welchen Zweck?

Dr. Kavermann: Ich verordne meinen Patient*innen verschiedene DiGA im Bereich der psychischen Gesundheit. Diese können beispielsweise zur Therapieunterstützung bei Depressionen und depressiven Verstimmungen dienen. Individuelle Übungen, Aktivitäten und Tipps unterstützen hierbei. Die Anwendungen werden natürlich nur in Ergänzung zur üblichen Behandlung eingesetzt. Die Auswahl an DiGA wird voraussichtlich stetig wachsen, beispielsweise planen wir aktuell auch die Rezeptierung einer DiGA bei Alkoholabhängigkeit und -abusus.

Welches Feedback erhalten Sie von Ihren Patient*innen zur Verordnung und dem Einsatz der DiGA?

Dr. Kavermann: Die initialen Rückmeldungen waren bisher sehr unterschiedlich. Einige Patient*innen waren gleich Feuer und Flamme für die neue Therapieoption, konnten sie diese doch individuell gesteuert ausüben und dosieren. Andere Patient*innen hatten große Vorbehalte aufgrund des Datenschutzes und wollten sich vorerst selbst im Internet hierzu belesen oder fürchteten eine mangelnde Wirkung. Dabei sind diese Bedenken unberechtigt, da alle Anwendungen umfassend vom BfArM geprüft werden, bevor sie als DiGA zugelassen werden.
Dennoch hat die persönliche Einstellung der Patient*innen gegenüber einer DiGA meiner Erfahrung nach einen großen Einfluss auf den Erfolg der Behandlung. Bei regelmäßiger Therapiewahrnehmung waren die Patient*innen zumeist positiv der jeweiligen DiGA gegenüber eingestellt. Als unsere Aufgabe verstehe ich es, zukünftig die Therapie mit DiGA auch im Sinne einer hybriden Therapie individuell zu begleiten, um die Patient*innen im Umgang mit DiGA zu unterstützen und Therapieabbrüche zu verringern.

Was würden Sie sich für die Zukunft von DiGA wünschen?

Dr. Kavermann: Das Potenzial von digitalen Gesundheitsanwendungen ist sehr groß und sie stellen grundsätzlich einen Gewinn für unser Gesundheitssystem in Deutschland dar. Der große Vorteil von DiGA ist, dass sie von überall genutzt werden können und die medizinische Beratung ergänzen. Die Herausforderung besteht darin, sie zu einem festen Bestandteil der Versorgung zu machen. Bisher ist die Auswahl an DiGA sehr begrenzt und auch die Akzeptanz aller Beteiligten noch ausbaufähig. Ich würde mir wünschen, dass sich dies in der kommenden Zeit ändert.

Vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben!